Facebook und die leidigen Daten

Facebook und die leidigen Daten

Mark Zuckerbergs Social Media-Monopol kommt zunehmend in Bedrängnis

Die persönlichen Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern auf der ganzen Welt könnten in die Hände der politischen Analyse-Firma Cambridge Analytica gelangt sein. Die Firma nutzte die Daten zur Erstellung von sogenannten „Targeted Ads“ im letzten US-Präsidentschaftswahlkampf zu Gunsten des späteren Siegers Donald Trump. Wer von dieser Meldung nichts mitbekommen hat, lebt vermutlich hinter dem Mond. Und manche der Betroffenen auf dem Planeten Erde wünschen sich vielleicht, sie wären dort, denn zumindest dann wären die persönlichsten Daten vor Mark Zuckerbergs neugieriger Social Media-Plattform sicher.

Dass die ganze Sache tatsächlich ernst war, konnte man kurz nach Bekanntwerden des Skandals bereits erahnen, als der chronisch medienscheue Mark Zuckerberg, dem Privatsphäre ironischerweise als höchstes aller Güter gilt, vor die Kameras trat, um Stellung zur Causa zu beziehen und die Medien zu beschwichtigen. Wenig später wurde bekannt, dass die Verantwortlichen bei Facebook aus Angst vor Daten- und Informationsdiebstahl bereits seit 2014 regelmäßig und heimlich alle Privatnachrichten löschen, die der Gründer und CEO Zuckerberg in seinem Messenger versendet. Diese Praxis wird übrigens nicht durch die geltenden Facebook AGBs gestützt und bleibt normalsterblichen Nutzern verwehrt - und ist damit ein eindrucksvoller Beweis für Facebooks Zwei-Klassen-Ansatz, was Daten- und Privatsphäreschutz betrifft. Kein Wunder also, dass es Zuckerberg nicht gelungen ist, das Feuer der Empörung im Keim zu ersticken.

Kein Wunder auch, dass immer mehr Menschen diese regelmäßigen Verletzungen ihrer persönlichsten Rechte nicht länger einfach so hinnehmen wollen. Eine Vorreiterrolle nimmt hier der österreichische Datenschutz-Aktivist Max Schrems ein, dessen NGO NOYB (ein beliebtes Internet-Akronym für None of your Business) unermüdlich daran arbeitet, das Unternehmen Facebook für seine fragwürdigen Unternehmenspraktiken vor Gericht zu bringen. Facebook auf der anderen Seite will mit allen Mitteln verhindern, sich den europäischen Verbraucher- und Datenschutzrichtlinien beugen zu müssen, nicht zuletzt mit verworrenen, ewig langen und für Laien unverständlichen Datenschutzregelungen.

Das gesteigerte öffentliche Interesse an dieser Sache dürfte Schrems und Co. aber in die Hände spielen, denn spätestens nach dem letzten Skandal wird vielen Verbrauchern klar: Social Media und andere datenabgreifende Plattformen sind keineswegs gratis. „Jeder Nutzer zahlt, bloß nicht in Geld, sondern in einer anderen kostbareren Ressource, nämlichen Daten. Diese Informationen werden dann an Werbeleute verkauft, damit diese uns effektiv Dinge verkaufen können. Daraus besteht das Geschäftsmodell“ sagt US-Philosoph Michael Sandel, der an der Elite-Uni Harvard lehrt.

Dass Facebooks fröhliche Datensammelei nicht nur eine unwirkliche, hypothetische Gefahr darstellt, sondern ganz schnell erschreckende Realität werden kann, musste letztes Jahr ein Palästinensischer Bauarbeiter am eigenen Leib erfahren: Nichts Böses denkend postete der junge Mann ein Foto von sich vor einem Bagger – seinem tagtäglichen Arbeitsgerät und kommentierte das Bild auf Arabisch mit „Guten Morgen“. Das war Facebooks hauseigenem Übersetzungsprogramm offenbar zu viel, übersetze es den harmlosen Morgengruß doch als „Greift sie an“. So wurde dank Facebook aus dem harmlosen Bauarbeiter ein Terrorist. Es dauerte Stunden, bis die eilig informierte Israelische Polizei von der Unschuld des Mannes überzeugt werden konnte.

Heute wie damals beteuern die Facebook-Verantwortlichen, dass es ihnen leidtue, dass man keine Überwachungsfirma sei und dass man entsprechende Maßnahmen ergreifen würde. Und dann kommt Facebook nur zwei Wochen nach dem großen Skandal um die Ecke und meldet ein Patent für Augentracking an – ein weiteres Puzzlestück auf dem Weg, alle personenbezogenen Daten der Nutzer abzugreifen. Auf die Selbstregulierungsfähigkeiten der Tech-Giganten sollte man sich also nicht verlassen. Nötig ist ein Schulterschluss der Zivilgesellschaft und der zuständigen rechtlichen Instanzen. Die im Mai in Kraft tretende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU ist ein erster wichtiger Schritt. So lange es die monopolistischen Internet-Konzerne allerdings schaffen, sich in einem rechtlichen Graubereich zu bewegen, liegt es an jedem einzelnen, genau darüber nachzudenken, was wir da eigentlich unterschreiben und wem wir unsere wertvollen Daten auf dem Silbertablett servieren.